OT und etwas lang - so sorry ...
Aus einer Doktorarbeit eines Zahn- / HNO-Arztes
Quelle:
http://docserv.uni-duesseldorf.de/servle…te-2984/984.pdf
"3.2.1. Gehörschäden bei Walkman-Benutzern und Diskothekenbesuchern
Die Problematik, die sich international aus der kontroversen Diskussion zur Frage von möglichen
Gehörrisiken durch Walkman-Gebrauch ergibt, wird von Hellbrück und Schick (1989)
in einer Arbeit zur zehnjährigen Existenz des Massenkonsumartikels Walkman hervorgehoben.
Besonders das Fehlen von differenzierten und repräsentativen Daten zur Frage der Häufigkeit
und Intensität des Walkman-Gebrauchs aus einer großen Stichprobe wird von den Autoren
kritisiert. Ferner bemängeln sie die oft fehlende Berücksichtigung situativer Bedingungen
beim Walkman-Gebrauch, da den Umgebungsgeräuschen während der Nutzung wesentliche
Bedeutung beigemessen wird.
Im so genannten „Hörtest 85“ werden lärmintensive Freizeitbeschäftigungen wie Diskothekenbesuche,
Musikhören über Kopfhörer und Walkman-Hören als mögliche Ursachen für die
Hörbeeinträchtigung bei Jugendlichen genannt (Stange 1992). Freizeitbedingte Ursachen
werden auch von zahlreichen anderen Autoren vermutet (Axelsson et al. 1981a, 1981b, Babisch
et al. 1988, Borchgrevink 1988, Matschke 1993, Schick 1990).
3. Ergebnisse
38
Die Angaben der Autoren zu Gehörschäden bei Jugendlichen streuen stark, lassen insgesamt
aber Hörverluste von einigen bis mehr als 10 dB in Abhängigkeit von der Musikexposition
erkennen. Dazu einige Angaben:
Lichtenberg (1973) berichtet über einen Anteil von 35 % mit bleibenden Hörschäden bei Besuchern
von lauten Musikveranstaltungen. Fearn (197
verglich Pop-Musik-Hörer mit einer
Gruppe ohne solche Schallbelastungen und stellte bei 10 % dieser Gruppe nach zwei Jahren
Musik-Veranstaltungsbesuch signifikante Hörverluste bei 3 und 4 kHz fest. In einer späteren
Untersuchung fand der Autor in der Altersgruppe 9-12 Jahre nur geringe Gruppenunterschiede
zwischen Diskothek- und Popkonzertbesuchern und solchen, die derlei Veranstaltungen
nicht besuchten (lediglich 1,5 dB Schwellenverschiebungen bei 3, 4 und 6 kHz). Bei 13- bis
16-jährigen wurden zusätzliche geringe Unterschiede bei 0,5, 1 und 2 kHz und 2-dBHörschwellenverschiebung
bei 3-6 kHz ermittelt, bei 18- bis 25-jährigen aber schon 3,3 dB
Hörschwellenanhebungen (Fearn 1981a,b).
Bei 18-jährigen Diskothekenbesuchern war der Hörverlust größer als bei 16- bis 17-jährigen,
deren Expositionszeit kürzer war (Passchier-Vermeer 1976). Bei jungen Berufsanfängern hatten
diejenigen Personen, die Musikexposition angaben, bei 6 kHz im Mittel eine um 6,3 dB
höhere Hörschwelle (Taylor 1976). Innerhalb eines Beobachtungszeitraumes von 6 Jahren
ergaben sich bei zu Beginn 16-20 Jahre alten männlichen Personen nur bei den Frequenzen 1
und 2 kHz Hörschwellenanhebungen von 2-4 dB (Lindemann et al. 1987). Bei der Untersuchung
des Zusammenhanges zwischen der Häufigkeit des Besuchs von Musikveranstaltungen
und den Hörschwellen wurden nur in der am stärksten belasteten Gruppe bei 6 kHz Hörschwellenanhebungen
von 4 dB gefunden. Bei Lehrlingen wurde bei 6 kHz eine um ca. 3 dB
höhere Hörschwelle bei der Gruppe mit häufigen Diskothekenbesuchen sowie bei Kopfhörerbenutzern
ermittelt.
In einer Längsschnittbetrachtung (ca. 13 Monate) an 9- bis 25-jährigen Personen war der Anteil,
der in diesem Zeitraum einen Hörverlust > 5 dB entwickelte, bei denjenigen, die Popmusik-
Veranstaltungen besuchten, 2-3 MAL größer als bei dem Rest der Gruppe (1981a,b).
An 18 bis 25 Jahre alten Personen war der Anteil mit Hörverlusten > 10 dB bei 4 kHz monoton
abhängig von der Anzahl besuchter Popmusik-Veranstaltungen (Fearn & Hanson 1984).
Bei dieser Gruppe waren Zusammenhänge zwischen der Häufigkeit von Hörverlusten (> 10
3. Ergebnisse
39
dB) und der Anzahl von Besuchen von Popkonzerten bei 6 kHz und dem Besuch von Diskotheken
bei 8 kHz festzustellen.
Bei 13- bis 19-jährigen Schülern ermittelten Babisch et al. (198
eindeutige Relationen zwischen
Hörschwellen und Musikhörgewohnheiten: In Abhängigkeit von der Häufigkeit von
Diskothekenbesuchen gaben 7-36 % der Jugendlichen an, einen länger dauernden Tinnitus
nach Schallbelastungen erlebt zu haben. In den hohen und ultrahohen Frequenzbereichen korrelierten
diese Angaben bei Jungen statistisch signifikant mit Hörschwellenanhebungen (3,4-
4,8 dB).
Nach Babisch et al. (198
korrelierten die Hörschwellenanhebungen bei den drei bezüglich
der PTS unterscheidbaren Frequenzbereichen 2-4, 4-12 und 14-16 kHz statistisch signifikant
mit den Musikhörgewohnheiten. Der Hörschwellenunterschied zwischen den Extremgruppen
der Musikbelastung (Diskobesuch und Walkman-Benutzung gegen keines von beiden) betrug
für die drei genannten Frequenzbereiche bei den Jungen 7, 6 und 9 dB und bei den Mädchen
3, 5 und 8 dB.
Anlässlich der Untersuchung einer möglichen Gehörgefährdung durch den Lärm tieffliegender
Kampfflugzeuge (Ising et al. 1991) wurde festgestellt, dass in 75m-Tiefflug-Gebieten Ohrenpfeifen
und temporäre Vertäubung infolge Musikschall bei Jugendlichen erheblich häufiger
ausgelöst wurden als durch Tieffluglärm. Die Häufigkeit von Ohrenschmerzen (die als
Indikator einer wesentlichen Innenohrbelastung mit potentieller Schädigung aufzufassen sind)
durch den Lärm tieffliegender Kampfflugzeuge und die Häufigkeit von Ohrenschmerzen
durch Musikschall waren gleich groß. Für die Bewertung dieser Feststellung spielt weniger
die absolute Größe der epidemiologisch ermittelten Häufigkeiten eine Rolle sondern eher die
Tatsache, dass in 75-m-Tieffluggebieten Musikschall Innenohrschäden mit zumindest ähnlicher
Wahrscheinlichkeit wie Tieffluglärmereignisse auslöst.
U.a. über Einzelfallberichte zu permanenten Hörverlusten nach Tieffluglärmexpositionen
wurde eine Schädigungspotenz von Tiefflug-Lärmereignissen für das Innenohr belegt. Die
genannten Daten verweisen auf eine solche Gefährdung auch durch das Musikhören von Jugendlichen.
3. Ergebnisse
40
Das Ausmaß einer Gehörschädigung wird durch die zusätzliche Lärmbelastung im Arbeitsbereich
verstärkt (Lehnhardt 1973). Bei Werftarbeitern (20-29 Jahre) mit zusätzlicher Arbeitslärmbelastung
hatten die nicht musikhörenden Personen bei 4 und 6 kHz eine um 5 bzw. 9 dB
bessere Hörschwelle (signifikant). Musikexposition verkürzt auf jeden Fall die Erholungspausen
des Ohres, wenn solche Restitutionsphasen wegen sonstiger wesentlicher Schallbelastung
erforderlich sind (Mori 1985)."
FAZIT
"5. Zusammenfassung
Während der letzten drei Jahrzehnte beschäftigten sich wissenschaftliche Untersuchungen
zunehmend mit den nicht berufsbedingten, durch so genannten Freizeitlärm induzierten Beeinträchtigungen
der Hörfunktion. Die vorliegende Literaturarbeit befasst sich mit der Fragestellung,
inwieweit bei Jugendlichen infolge einer dauerhaften Freizeitlärm-Exposition mit
irreversiblen Minderungen der Hörfunktion zu rechnen ist.
Es handelt sich um eine aktuelle Literaturanalyse zur Frage des Risikos der Gehörschädigung
von Jugendlichen durch Freizeitlärm. Es ist davon auszugehen, dass gerade bei Jugendlichen,
die noch am Beginn ihres Erwerbslebens stehen bzw. noch keine endgültige Berufswahl getroffen
haben, infolge einer Einschränkung des Hörvermögens viele Berufe nicht mehr oder
nur noch mit erheblichen Einschränkungen ausgeübt werden können. Eine Ausbildung, oder
eine Ausübung die mit den Bereichen Medien, Musik, Elektronik oder Verkehr zu tun haben,
könnte nahezu unmöglich erscheinen. In anderen Berufsbereichen kann es auch zu Schwierigkeiten
kommen, die Auswirkungen auf das soziale Leben oder auf die finanzielle Situation
haben.
Insofern belegen die Ergebnisse der vorliegenden Literaturarbeit, dass das Freizeitverhalten
von Jugendlichen – hier insbesondere Musikkonsum mit potentiell hörschädigendem Einfluss
– zu einer nachhaltigen Beeinträchtigung der beruflichen Zukunft führen kann.
In der Bundesrepublik Deutschland sind vor allem das Hören von Live-Musik bzw. elektrisch
verstärkter Rock- und Popmusik (sowohl im Rahmen von Live-Konzerten als auch z. B. bei
entsprechend lauter Beschallung in der Diskothek) sowie die Lärmexposition bei Verwendung
persönlicher Wiedergabegeräte (Walkman, Discman, Mini-Disc-Player, MP3-Player) als relevante
Aktivitäten anzuführen. Freizeitaktivitäten, die primär Impulslärm verursachen (Jagd,
Zielschießen) spielen in Deutschland eine untergeordnete Rolle, sind aber z. B. in den USA
von größerer Bedeutung.
Obwohl davon auszugehen ist, dass alle der genannten Freizeitaktivitäten potentielle Auslöser
eines lärmbedingten Hörschadens sein können, liegt die Gefahr irreversibler Schädigungen
des Hörvermögens bei Schuss- und Knalltraumen offenbar am höchsten."